Windrad-Counter Austria: 1451 Windräder | 4028 MW | 2.65 Mio Haushalte versorgt | 9.743 GWh gestern produziert

Windmenschen

Stefan Gsänger

31.03.2024

Windmensch Stefan Gsänger

Porträt Stefan Gsänger

Herr Gsänger, Sie leiten die World Wind Energy Association (WWEA) seit ihrer Gründung im Jahr 2001. Wie sind Sie zur Windenergie gekommen?
Stefan Gsänger: In meiner Kindheit wurde ich mit existenziellen Umweltproblemen konfrontiert: Waldsterben, Tschernobyl, Smogalarm und noch mehr. Es war für mich deprimierend, dass es dafür keine wirksame Lösung zu geben schien. Als ich dann in den 90er Jahren Hermann Scheer in einer TV-Talkshow sah, wurde mir klar, dass sich hier eine Lösung auftat. Nach meinem Studium dann hatte ich tatsächlich die Gelegenheit, für Hermann Scheer zu arbeiten. Dadurch wurden meine Vorstellungen konkret, wie die Energiewende funktionieren kann. Ich konnte in den Folgejahren daran mitwirken, die WWEA zu gründen. Seitdem, also seit mehr als 20 Jahren, widme ich mich beruflich der weltweiten Verbreitung der Windenergie.


Was fasziniert Sie generell an der Windenergie?
Windenergie ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich; und diese Energiequelle steht uns zur Verfügung, ohne dass ihre Nutzung mit schlimmen Umweltschäden einhergeht. Natürlich fasziniert mich die technologische Dimension, denn in Windrädern steckt ein enormes Maß an menschlicher Ingenieurskunst. Aber auch die sozialen Aspekte von Windkraft finde ich bemerkenswert: Wie sie von einer sozialen Bürgerenergiebewegung getragen wurde und sich zu dem entwickelt hat, was sie heute ist: ein weltweiter Industriezweig.


Und wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen Ausbau der Windkraft?
Mit dem „Millionsten Megawatt“, das wir im Spätherbst 2023 überschritten haben, ist eine sehr symbolträchtige Wegmarke erreicht. Als unser Verband gegründet wurde, lag die weltweit installierte Leistung bei gerade einmal 20.000 MW, und die 100.000 MW-Marke wurde 2008 überschritten, also vor 15 Jahren. Allein China wird in diesem Jahr voraussichtlich eine halbe Million MW installieren. Das ist natürlich ein Grund zur Zufriedenheit. Gleichzeitig geht allerdings der Ausbau der Windenergie in den meisten Ländern nicht schnell genug voran. Leider sind die beharrenden Kräfte stark, in Europa vor allem die Erdgaslobby. Bei der letzten UN-Klimakonferenz konnte man beobachten, wie erfolgreich fossile und atomare Lobbys den Verlauf der Konferenz orchestrierten. Die Weltgemeinschaft kann sich noch nicht auf die naheliegendste Lösung einigen: der vollständige Umstieg auf 100 % Erneuerbare. Umso wichtiger ist es, dass es Vorreiter gibt wie China, manche europäische Länder und hoffentlich bald wieder die USA.


Wie ist ihre Prognose für die kommenden Wind-Jahre?

Wir rechnen für 2023 mit einem Zubau von rund 110 Gigawatt (GW) und ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahrzehnt jährlich weiterhin einen Zubau von deutlich über 100 GW haben werden, so dass die zwei Millionen Megawatt vor Ende des Jahrzehnts erreicht werden sollten. Allein konsequentes Repowering, also der Ersatz älterer durch leistungsfähigere Anlagen, würde die globale Windstromproduktion in etwa verdoppeln.


Wie leben und erleben Sie das Thema erneuerbare Energie auch privat?
Ich bin ehrenamtlich im Aufsichtsrat unserer regionalen Energiegenossenschaft tätig, die neben Solaranlagen und E-Carsharing nun auch anfängt, den Bereich Windenergie zu erschließen. Auch da gibt es sehr konkrete Diskussionen, an denen ich mich gern beteilige. Ganz besonders stolz aber bin ich darauf, dass wir privat im Jahr 2023 endgültig den Ausstieg aus fossilen Energien vollziehen konnten. Strom beziehen wir von einem zertifizierten EE-Strom-Anbieter, seit einigen Jahren fahren wir Elektroauto und letzten Herbst haben wir die Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt. Was für mich vor 25 Jahren als Vision begann, ist nun Realität: 100% erneuerbar. Und meine beiden Kinder erleben diese Realität schon jetzt als neue Normalität.


Windenergie ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich.“ Stefan Gsänger,
WWEA Porträt Wind-Menschen Seit über 20 Jahren unterwegs als globaler Wind-Botschafter.
Stefan Gsänger, Generalsekretär Weltverband für Windenergie (WWEA)