Windmenschen
20.12.2024
Herr Wachter, Sie haben vor rund 30 Jahren gemeinsam mit den österreichischen Windkraft-Pionieren Ihr Windrad auf der Braunhöhe in Michelbach (NÖ) errichtet und ein Stück österreichische Energiegeschichte mitgeschrieben. Wie hat das damals alles begonnen?
Max Wachter: Der Wind ist seit meiner frühesten Kindheit ein maßgeblicher Faktor hier oben am Braunhof und hat mich mein Leben lang begleitet. Manch mal hat er uns das Leben und Arbeiten schwer gemacht, Dachschindeln mitgenommen oder das Heu von den Wiesen geweht. Da mussten wir immer schneller sein als der Wind. Einmal hat er sogar „das Christkind“ verweht, als wir die Pakete mit dem Schlitten über die verschneite Straße heraufziehen wollten – da hat er sämtliche Weihnachtspackerl übers Feld bis in den Graben hinunter purzeln lassen.
Irgendwann aber haben Sie angefangen den Wind für sich zu nutzen ...
Richtig. Schon als Bub habe ich aus einem alten Fahrrad mit Dynamo ein Windrad gebaut, damit wir den Stall beleuchten konnten. Ein anderes Windrad hat eine lärmende Blechleiste am Hühnerstall in Bewegung gehalten, um den Habicht zu vertreiben. 1993 aber habe ich in einer Zeitung davon gelesen, dass Windrad-Standorte in Niederösterreich zur Stromerzeugung gesucht werden, und sofort den Hans Winkelmeier angerufen. Der hat gefragt, ob bei mir überhaupt ein Wind wehen würde – zur Antwort hab ich einfach den Telefonhörer aus dem Fenster gehalten.
Wie lange hat es danach gedauert, bis die Vestas V29 neben Ihrem Hof stand?
Noch etwa zwei Jahre. Zuerst musste wir Wind messen. Alle frühen Windkraft-Pioniere waren in dieser Zeit bei mir am Hof: Hans Winkelmeier, Andreas Dangl, Hias Gollackner ... Wir haben Exkursionen nach Deutschland gemacht, um Windräder auszusuchen, die für den Standort passten. Am 11. Juli 1995 stellten wir die Vestas V29 auf – hunderte Besucher haben dabei zugesehen. Das war ein Volksfest. Es war ein Gemeinschaftsprojekt von Energie-Idealisten und Atomkraftgegnern. Wir haben gemeinsam Eisen fürs Fundament geflochten, den Montagetrupp verköstigt und die Sicherungsseile beim Aufziehen der Rotorblätter gehalten.
Es war das erste Windkraft-Bürgerbeteiligungsprojekt in Österreich. War Ihnen damals schon die Tragweite dieses Modells bewusst?
Wir wussten, wir bauen zusammen an unserer Energiezukunft. Insgesamt 96 Bürger haben sich an unserem Projekt beteiligt, danach kamen Windräder in Vösendorf und Hagenbrunn dazu und so ging es weiter. Wir Pioniere haben uns häufig am Hof im Windstüberl getroffen und versucht einzuschätzen, wieviel Windstrom wir einmal für Österreich erzeugen würden. Ich lag mit meinen Schätzungen immer am höchsten – hatte aber letztlich recht damit. Der Energieversorger aber war noch lange skeptisch. Dreimal haben sie Service-techniker zu uns heraufgeschickt, um den Zähler am Windrad auszutauschen, weil sie nicht glauben konnten, wieviel Strom hier produziert wird: immerhin 450.000 kWh pro Jahr.
Das Windrad in Michelbach hat auch durch die vielen legendären Geschichten heute Kultstatus in der Windbranche. Schon damals war unser Windrad eine Sensation in der Region und darüber hinaus. Vor allem an den Wochenenden kamen unzählige Besucher, Techniker, Idealisten und Wanderer, die sich für das Windrad begeisterten – in dieser Zeit haben wir sogar einen Wind-Heurigen betrieben, aufgrund der vielen Besucher. Viele wollten raufklettern oder einfach etwas über die Technik erfahren. Einmal ließ sich ein 96-jähriger Spengler aus Wien mit dem Taxi herauffahren und war ganz begeistert vom Windrad.
Die Windkraft ist – so faszinierend sie vor 30 Jahren war – heute auch vielfach in Kritik. Wie erleben Sie diese Veränderung?
Es gab schon damals kritische Stimmen in der Bevölkerung – nicht erst heute. Das war etwas Neues; etwas, das plötzlich in der Landschaft gestanden ist. Manche hat das gestört – das war also vor 30 Jahren nicht anders. Der damalige Bürgermeister war beispielsweise sehr skeptisch. Tierschützer waren fast täglich bei uns und haben die Wiese nach toten Vögeln abgesucht. Gefunden haben sie nichts. Manche haben sich davor gefürchtet, wie die Techniker des Netzbetreibers, die Angst hatten vom Windstrom gegrillt zu werden, wenn sie an den Leitungen arbeiten mussten – bis wir ihnen erklärten, dass man ein Windrad auch abschalten kann. Aber die meisten waren fasziniert und viele verstehen bis heute nicht, warum wir hier an diesem Windstandort nicht mehr Anlagen errichten konnten. Doch das ging damals aus netztechnischen Gründen nicht und heute wäre keine Genehmigung mehr für ein weiteres Windrad zu bekommen – aufgrund von geänderten Vorschriften und Abstandsregeln.
Wie sehen die Tage von Max Wachter heute aus – sind sie immer noch so Wind-bewegt?
Es ist deutlich ruhiger geworden bei uns am Braunhof – natürlich pfeift der Wind weiterhin ums Haus das ganze Jahr, aber ein Windrad ist keine Sensation mehr. Manchmal posieren noch Wanderer davor und machen Fotos. Auch jüngere Menschen kommen vermehrt vorbei, viele würden gern raufklettern – aber das geht heute nicht mehr. Meine Kinder und Enkelkinder sind jedoch nicht minder energiebegeistert und viele sind auch in der Landwirtschaft tätig. Den Hof bewirtschaftet nun mein ältester Sohn Max gemeinsam mit seinem Sohn Martin und ich helfe an den Höfen meiner Kinder so gut es geht – im Stall oder bei Reparaturen. Auch meine 31 Urenkerl halten mich auf Trab, da ist immer etwas los! Eines aber ist sicher: Solange wir die nötigen Genehmigungen bekommen, wird unser Windrad weiterlaufen. Bei den Überprüfungen staunt jeder Servicetechniker: Es läuft immer noch mit den allerersten Original-Flügeln, seit 30 Jahren. Wir hoffen natürlich, dass das noch lange so bleiben wird. Auf den Wind jedenfalls können wir uns hier heroben verlassen.
„Wir wussten, wir bauen zusammen an unserer Energiezukunft. Insgesamt 96 Bürger haben sich an unserem Projekt beteiligt.“ Max Wachter, Landwirt und Wind-Pionier
Max Wachter – Windkraft-Pionier mit dem ersten Bürgerbeteiligungs-Windrad des Landes
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