Der Mann, der Energievisionen hat

Porträt Wind-Menschen

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Schildern Sie uns am Anfang doch kurz Ihren Berufsweg.?

Erwin Moser: Mit 15 Jahren habe ich 1974 als Kanzleipraktikant im Gemeindeamt der oberösterreichischen
Gemeinde Munderfing angefangen. Nur zehn Jahre später wurde ich bereits zum Amtsleiter bestellt. Seit 2014 bin ich auch Geschäftsführer der Energie Munderfing GmbH und der Windpark Munderfing GmbH. Da ich aber seit einigen Jahren über die Gemeinde hinaus in der gesamten Region Braunau aktiv bin, habe ich 2019 meinen Job als Amtsleiter einvernehmlich beendet.

Wann sind Sie mit der Windkraft in Kontakt gekommen?

2003 kam Joachim Payr, Geschäftsführer der Energiewerkstatt GmbH – heute EWS Consulting, in mein Büro. Wir besprachen seinen Plan, alle 13 Gemeinden rund um den Kobernaußerwald zu einer Energieregion zu bündeln, die sich zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie versorgt. Herzstück dieser Idee war das Projekt Windpark „Silventus“, der mit geplanten 30 Windrädern ein Drittel des
Stroms erzeugt hätte, den die Haushalte der Bezirke Braunau, Ried und Vöcklabruck verbrauchten. Trotz anfänglicher Euphorie bei den politischen Vertretern der einzelnen Gemeinden fand letztendlich auch eine verkleinerte Version des Projektes nicht die allgemeine Zustimmung. Die Zeit war noch
nicht reif für dieses Projekt!

Und wie ging‘s dann später in Munderfing selbst weiter?

2005 hat unsere Gemeinde ein eigenes Energiekonzept erstellt, sich bis 2035 zu 100 % mit erneuerbarer Energie zu versorgen, sodass der gesamte Bedarf an Strom, Wärme und Treibstoffen gedeckt wird. Zu der Zeit gab unsere Gemeinde 2,5 Millionen Euro pro Jahr für Energie aus, und wir wollten, dass dieses
Geld in der Region bleibt. Damals hat der Gemeinderat auch einstimmig beschlossen, dass die Gemeinde selbst als Projektträger auftritt.

Was dann mit einem eigenen Windpark realisiert wurde.

Der viele Jahre der Planung, Beharrlichkeit und Durchsetzung erforderte – das war alles andere als ein Selbstläufer. Der Gemeinderat musste sich ja durchringen, die Finanzierung für Gutachten, Windmessung und die eigentlichen Projektkosten von mehr als 300.000 Euro zu beschließen, ohne dass wir die Sicherheit hatten, dass das Projekt auch erfolgreich umgesetzt wird. Ein Meilenstein dafür war die politische Kultur, als bei den Gemeinderatswahlen 2009 alleParteien übereinkamen, den Windparknicht zu einem selbstzerstörerischen Thema im Wahlkampf zu machen.

Der Windpark Munderfing ist ja selbst ein Meilenstein gewesen.

Auf jeden Fall, denn als unsere fünf Windräder mit ihren 15 MW im Juni 2014 ans Netz gingen, war dies der erste Windpark in Oberösterreich nach zehn Jahren Ausbaustillstand. Und wir waren österreichweit die erste Gemeinde, die selber als Windparkbetreiber aktiv wurde. Aus meiner Sicht sehr wichtig war, dass sich neben der Finanzierung durch die Gemeinde auch die Energiewerkstatt GmbH mit 25 % an dem Windpark beteiligt hat. Gemeinsam konnten wir dieses schwierige Projekt letztendlich erfolgreich umsetzen. Inzwischen hat sogar die Energie AG Oberösterreich einen Anteil von 14,7 % an dem Windpark erworben.

Sie haben Ihre jetzige Tätigkeit in der Region erwähnt. Worum geht es da?

Es scheint Teil meiner Lebensaufgabe zu sein, visionäre Projekte anzuziehen. 2016 haben wir in Munderfing mit der Errichtung eines flächendeckenden Glasfasernetzes begonnen, der Ausbau soll 2021 fertiggestellt sein. Wir sehen das als eine zukunftsweisende Investition der öffentlichen Hand in zeitgemäße Infrastruktur, weil private Anbieter den ländlichen Raum eher meiden. Trotz günstiger Einstiegstarife zahlen die Interessenten keine Anschlussgebühren. Auf Drängen vieler Bürgermeister aus den Nachbargemeinden unterstütze ich diese beim Glasfaserausbau und stelle meine Erfahrung zur Verfügung.
Mittlerweile haben sich 27 Gemeinden zur Genossenschaft Glasfaser Verband Braunau zusammengeschlossen.

Leben Sie Ihre Visionen auch als Privatperson?

Privat bin ich zu 95 % Selbstversorger mit Strom, erzeuge und speichere diesen zu Hause und nutze ihn als Treibstoff für mein Elektroauto. Mit Öl und anderen fossilen Energieträgern – von Atomkraft ganz zu schweigen – will ich nichts mehr zu tun haben. Ich schätze die Freiheit und Unabhängigkeit, mich mit erneuerbaren Energien selbst zu versorgen. Und ich schätze den Ansatz – in diesem Fall in Sachen Energie, aber auch sonst – die Wertschöpfung in der Region stattfinden zu lassen, statt sie in unsichere Länder auszulagern.

Zur Person

Erwin Moser ist Geschäftsführer der Energie Munderfing GmbH sowie der Windpark Munderfing GmbH und war Amtsleiter der Gemeinde.


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Die Serie "Windmenschen" erscheint in unserer Mitglieder-Zeitung "windenergie". Porträtiert werden verschiedene Menschen, die in der Windbranche arbeiten - meist "aktiv", direkt am Windrad.