Der Mann, der mit dem Wind fliegt.

Georg Kury im Porträt "Wind-Menschen"

Du bist ein Windmensch der ersten Stunde –wie bist du zur Windkraft gekommen?

© Georg Kury
 © Georg Kury

Georg Kury: Ursprünglich habe ich technische Physik studiert, dann aber auf Meteorologie gewechselt. Mich hat schon immer das Fliegen und die Aerodynamik fasziniert, die Themen Luft und Wind waren immer sehr präsent bei mir. Seit 1989 fliege ich ja auch mit dem Gleitschirm. Anfang der 90er Jahre hörte ich in einer Vorlesung von Helga Kromp-Kolb das erste Mal über den Klimawandel. Und die Verbindung Aerodynamik und Klimawandel hat mich dann auf den Weg zur Windkraft geführt.

Wie verlief dieser Weg?

Nach Abschluss meines Studiums arbeitete ich ab 1995 bei der ZAMG, der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, in der Abteilung für Klimatologie. 1999 habe ich mich dann mit Enairgy, meinem Ingenieurbüro für Maschinenbau und Meteorologie, selbstständig gemacht. Ich hatte das Glück, bei der Windkraft von Anfang an dabei zu sein. Das Schöne ist: Manche Kunden sind mir bis heute treu geblieben.

Welche Leistungen erbringst du bei Windkraftprojekten?

Zu Beginn waren es nur Windgutachten, dann habe ich auch andere Planungsleistungen übernommen, zum Teil auch die Generalplanung. Heute konzentriere ich mich wieder auf meine Kernkompetenzen wie Windgutachten und Schattenwurfberechnungen. Denn ich sehe mich in erster Linie doch als Meteorologe und nicht als Techniker.

Und als Meteorologe auch als Kämpfer für den Klimaschutz.

Auf jeden Fall, denn beim Klimaschutz brennt wirklich der Hut. Was derzeit alles nicht gemacht wird, ist erschreckend. Es gibt jede Menge Potenziale, aber bei dem hohen Maß an Untätigkeit werden wir die 100 % Ökostrom bis 2030 nicht erreichen. Ich habe am Klimastreik in Wien teilgenommen, wo 20-30.000 Menschen auf die Straße gegangen sind. Meine Frau Renate und ich haben auch in unserem Heimatort Pöllau einen wöchentlichen Klimastreik organisiert. Ich denke, das Thema hat die Öffentlichkeit erreicht. Deswegen arbeite ich auch beim Klimavolksbegehren mit, das derzeit in Ausarbeitung ist.

Was kritisierst du besonders?

Die jetzige Regierung tut einfach nichts, die Politik ist hochgradig untätig. Ich habe an einem Treffen mehrerer Klimainitiativen teilgenommen. Wir waren uns dort einig, dass die Zeit drängt und es noch heuer großen Druck von Seiten der Bevölkerung braucht. Wir brauchen eine Bewegung wie 1968, wir brauchen eine 2019er Bewegung, um noch rechtzeitig die Kurve zu kriegen.

Wie kann das möglichst vielen Menschen vermittelt werden?

Es läuft gerade eine intensive Diskussion um die Gefahren der Atomindustrie. Wir müssen bewusst machen, dass wir heute sowas wie ein Klima-Tschernobyl haben, eine Klimakatastrophe, die eine Gefährdung für die gesamte Menschheit ist. Und das wir so schnell und so intensiv aktiv werden müssen, wie es eine Katastrophe erfordert. Dabei müssen wir heute nicht mal einen brennenden Atomreaktor löschen, wir müssen nur unseren Lebensstil ändern, in kein Flugzeug steigen, mit Öffis oder Elektroautos fahren und möglichst wenig Fleisch essen. Und wir brauchen dringend eine ökologisch-soziale Steuerreform: Steuern auf Arbeit runter, Steuern für CO2 und Ressourcen rauf.

Und wenn wir unseren Lebensstil nicht ändern?

Wir haben es in den letzten Jahren erlebt: Die Temperaturen steigen an. Und die Klimaprognosen zeigen einen noch stärkeren Anstieg. Was das für die Land- und Forstwirtschaft und die sonstige Vegetation bedeutet, kann man nur Apokalypse nennen. Es gibt ja ein paar Windkraftgegner, die fordern, Windräder sollen nicht im Wald errichtet werden. Wir wissen aber ganz genau: Wenn der Temperaturanstieg so weitergeht, wird in 70-80 Jahren zum Beispiel im Waldviertel kein Wald mehr stehen.

Erzähl uns abschließend noch von deiner Flugleidenschaft.

Seit 30 Jahren fliege ich mit dem Gleitschirm. Mich fasziniert diese Einfachheit. Es funktioniert nur mit Sonnen- und Windenergie: Die Sonne erzeugt Wärme am Boden, das ergibt einen Aufwind und den nutzt der Gleitschirm um Höhe zu gewinnen. Ein Höhepunkt der Ressourceneffizienz: Das Ding besteht aus fünf Kilo Plastik und ist in extremis in der Lage, 500 Kilometer weit zu fliegen. Mein persönlicher Rekord liegt bei 70 Kilometern. Am Computer berechne ich Turbulenzen an Windradflügeln, und dann gehe ich am Wochenende fliegen und erlebe diese Turbulenzen hautnah. Am Computer ist es noch die Theorie, beim Fliegen aber die Praxis.

Zur Person

Georg Kury ist Meteorologe mit eigenem Ingenieurbüro und passionierter Gleitschirmflieger.

Bildunterschrift (Bild 1 oben)
Der steirische Windpark Herrenstein aus der Perspektive des Gleitschirmfliegers Georg Kury.


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Die Serie "Windmenschen" erscheint in unserer Mitglieder-Zeitung "windenergie". Porträtiert werden verschiedene Menschen, die in der Windbranche arbeiten - meist "aktiv", direkt am Windrad.