Schwache Ziele bremsen

Minimalziel für Erneuerbare ist keine Lösung für den Klimaschutz.

Die EU hat sich verpflichtet, einen substanziellen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens zu leisten, indem sie ihre Treibhausgas-Emissionen massiv reduziert. Deshalb arbeitet sie daran, einen Fahrplan zu erstellen, wie sie ehestmöglich und spätestens bis 2050 auf den Einsatz fossiler Energieträger verzichten kann.
Im November 2016 legte die EU-Kommission ihr umfangreiches Clean Energy Package – deutsch auch Winterpaket genannt – vor, das den Weg zum ersten Etappenziel 2030 definieren soll. Mit acht Richtlinien und Verordnungen wird ein struktureller Rahmen geschaffen, der die Mitgliedstaaten in die Erreichung der EU-Klima- und Energieziele einbindet. Im Juni dieses Jahres fielen erste wichtige, richtungsweisende Entscheidungen.

Erneuerbare gebremst

Am 14. Juni wurde die neue Richtlinie für erneuerbare Energien beschlossen und als Ergebnis eines langen Feilschens ein Kompromissziel von 32% für den Anteil Erneuerbarer am Gesamt-
energieverbrauch festgeschrieben. In Stein gemeißelt ist dieses jedoch nicht, da für 2023 eine Revision fixiert wurde, nach der dieses Ziel gegebenenfalls weiter angehoben werden kann. Das wird dann unter schwedischer oder spanischer Ratspräsidentschaft geschehen, die sich beide schon jetzt für eine ambitioniertere Klima- und Energiepolitik der EU aussprechen. Der Großteil der wissenschaftlichen Gemeinschaft ist sich heute ohnehin einig, dass ein Anteil von 45% erreicht werden muss, um den Pariser Zielen gerecht zu werden. Allein mit den Ausbauraten des letzten Jahrzehnts in der EU hätten 40% geschafft werden können. Mit dem moderaten Ziel von 32% bremst daher die EU den Ausbau erneuerbarer Energien, statt ihn – wie geplant – zu beschleunigen.

Die Elemente des Clean Energy Package im Überblick

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Vier der acht Neuregelungen des Clean Energy Package sind bereits erledigt, darunter die wichtigen Richtlinien für erneuerbare Energien und Energieeffizienz sowie die Governance-Verordnung, die die Erreichung der Ziele sichern soll.

Effizienz unterschätzt

Eng verknüpft mit den Richtlinien für erneuerbare Energien und Energieeffizienz ist die Governance-Verordnung. Sie ist gleichsam das Gehirn des Winterpakets. Ebenfalls noch unter bulgarischem Ratsvorsitz wurde sie Ende Juni unter Dach und Fach gebracht. Sie soll sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten ihre Energie- und Klimapolitik entlang der Grundsätze der Energieunion aufeinander abgestimmt planen, umsetzen und über ihren Fortschritt berichten.
Bis Ende 2018 müssen die Mitgliedstaaten Entwürfe für ihre nationalen Energie- und Klimapläne vorlegen. Als Gesamtheit ebenso wie einzeln müssen alle 28 Länder das Ziel für erneuerbare Energien mit vier linear gerechneten Etappenzielen erreichen. Es ist daher für alle EU-Länder notwendig, von Anfang an – also sofort – geeignete Maßnahmen zu setzen und diese nicht auf später zu verschieben. Sollte es zu einer Lücke zwischen den jeweiligen Etappenzielen und den Ist-Werten kommen, beginnt nämlich ein „Lückenschluss“-Mechanismus („Gap-Filler“) zu greifen. Dann kann die EU-Kommission jene Länder, die nicht auf Kurs sind, auffordern, zusätzliche nationale Maßnahmen zu ergreifen. Für die Energieeffizienz wurde ein ähnlicher Mechanismus vereinbart.

Vorrang für Erneuerbare

Der nächste Brocken im Winterpaket, der unter österreichischem Ratsvorsitz finalisiert werden soll, ist das neue Markt-Design, mit dem die Strommärkte flexibler und für erneuerbare Energien tauglicher gestaltet werden müssen. Zentrale Knackpunkte sind die geplante Abschaffung des Einspeisevorrangs für Erneuerbare sowie das Beharren auf Kapazitätsmechanismen. Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden: Erneuerbare werden nicht von einem Tag auf den anderen in neutralen, sogenannt „diskriminierungsfreien“ Marktstrukturen existieren. Die jahrzehntelange exorbitante Subventionierung fossiler und atomarer Energien hat einen Markt mit Altlasten, sprich Kostenvorteilen für alte, abgeschriebene konventionelle Kraftwerke geschaffen. Offizieller politischer Wille ist der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energien, dieser wird aber weiterhin in einem schwierigen Marktumfeld stattfinden. Deshalb brauchen Erneuerbare vorerst weiterhin besonderen Schutz – prioritäre Einspeisung, vorrangiger Netzzugang und die Fortführung bewährter nationaler Fördersysteme sind dafür Mindestanforderungen.

Kein Geld für alten Schrott

Bei den Kapazitätsmechanismen geht es darum, dass fossile Kraftwerke fortgesetzt Geld für das Vorhalten von Leistung für angenommene Versorgungsengpässe erhalten sollen. Erst jüngst hat Greenpeace aufgedeckt, dass europäische Regierungen 58 Milliarden Euro an Energiekonzerne zahlen, um alte, unrentable und gefährliche Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke am Leben zu erhalten. Diese „Standby-Förderungen“ verhindern, dass schrottreife Kraftwerke vom Netz genommen werden und diese Länder stattdessen verstärkt in den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie investieren.
Angeblich sollen diese „Standby-Förderungen“ dazu da sein, dass im Falle von Energieengpässen zusätzlicher Strom abgerufen werden kann. Allerdings verfügt die EU bereits jetzt und auch künftig über genügend Strom: Laut Greenpeace werden im Jahr 2025 bei Spitzenbedarf lediglich 61% der Kapazität tatsächlich benötigt werden. Die Mindestforderung ist, dass zumindest extrem klimaschädigende Kohlekraftwerke ausgeschlossen werden sollten. Die zehn größten europäischen CO2-Emittenten sind deutsche und polnische Kohlekraftwerke.

Fakten

  • 2017 sind in der EU die CO2-Emissionen um 1,8% gestiegen.
  • Die angedachte Erhöhung des EU-Reduktionsziels für Treibhausgas-Emissionen von 40% auf 45% wurde abgesagt, für den Pariser Klimaschutzvertrag müssten aber minus 55% angestrebt werden.
  • Die Investitionen in erneuerbare Energien in Europa lagen 2017 um 26% niedriger als 2016 und um 58% niedriger als am Höchststand 2011.
  • Im Durchschnitt der letzten 10 Jahre investierte die EU jährlich rund 68 Milliarden Euro in Erneuerbare, für die Periode 2021 bis 2030 sehen die Pläne der EU nur mehr rund die Hälfte jährlich vor.
  • Über 50% ihres Gesamtenergieverbauchs muss die EU importieren.

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Dieser Artikel erschien in unserer Mitglieder-Zeitung "windenergie".