Übergang mit Baustellen

Modell des Ausgleichsenergiemarktes muss neu definiert werden. Ende 2017 verabschiedete die EU-Kommission ihre Electricity Balancing Guideline (EBGL). Um dieser zu entsprechen musste in Österreich unter anderem das Modell zur Ermittlung der Ausgleichsenergiepreise angepasst werden.

Noch bis Ende 2018 wurden die Kosten aus dem Regelreservemarkt zwischen Erzeugern und Bilanzgruppen anhand der „78/22“-Systematik aufgeteilt: 78 % der Kosten wurden über das sogenannte Systemdienstleistungsentgelt voll an die Erzeuger, 22 % über den Ausgleichsenergiepreis an die Bilanzgruppen verrechnet. Durch eine veraltete Berechnungsmethode für den Ausgleichsenergiepreis – die die vermehrte Einspeisung von volatilem, mit erneuerbaren Energien erzeugtem Strom nicht abbilden konnte – kam es zu überdurchschnittlich hohen Kostenbelastungen für die von der OeMAG geführte Öko-Bilanzgruppe.

Baustellen beseitigen

In einer von der Austrian Power Grid (APG) einberufenen branchenübergreifenden „Expertenrunde“, an der auch die IG Windkraft beteiligt war, wurden Eckpunkte für ein neues Regel- und Ausgleichsenergiemodell erarbeitet. Anfang 2019 wurde daraufhin ein bis Ende 2020 geltendes Übergangsmodell eingerichtet, in dem der Großteil der Gesamtleistungskosten über das Systemdienstleistungsentgelt an Erzeugungsanlagen über 5 MW Engpassleistung überwälzt wird, während die Bilanzgruppen die Energiepreise tragen müssen. Lediglich die Vorhaltekosten der Tertiärregelung werden über den sogenannten Zusätzlichen Abrechnungsmechanismus an die Bilanzgruppen entsprechend ihrer Erzeugungs- und Verbrauchsumsätze verrechnet. Damit konnte vorerst die EU-Konformität hergestellt werden.

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Doch auch das aktuelle Übergangsmodell enthält einige „Baustellen“, an denen dringend nachgebessert werden muss, wie IGW-Chef Stefan Moidl erklärt: „Das jetzige Modell weist erhebliche Rechtsunsicherheit auf und bedarf im Zuge der Novelle des ElWOG 2010 in vielen Bereichen einer gesetzlichen Neuregelung. Auch die derzeitige Umsetzung der Balancing Guideline über Verordnungen und Erlässe und AGBs durch die E-Control kann nicht auf Dauer so gehandhabt werden.“
Als markantes Beispiel für die angesprochene Rechtsunsicherheit nennt Moidl das sogenannte „Sonderkonto“ der APG. Mehr- und Mindererlöse der Ausgleichsenergie – Geld, das von den Bilanzgruppen kommt – werden „treuhändisch“ auf einem Konto der APG geparkt. Eine zeit- und verursachergerechte Rückverrechnung auf die jeweiligen Bilanzgruppen, wie sie die IG Windkraft vorschlägt, ist nicht angedacht. Etwaige Mehrerlöse sollen bis zur Neuregelung des ElWOG – also bis 2020/21 – auf dem Sonderkonto auflaufen. Die Ungewissheit der Verwendung der angehäuften Mittel führt zu großer Unsicherheit für alle Marktteilnehmer. Hier ist der Gesetzgeber ganz klar gefordert, rasch für Klarheit zu sorgen.

Erlöse auf Sonderkonto

In das Sonderkonto fließen auch Erlöse und Kosten des ungewollten Austausches und des Imbalance Netting. Unter Letzterem versteht man die Saldierung von abgerufener Regelenergie auf Basis internationaler Kooperationen unter Übertragungsnetzbetreibern. Dazu kommt es, wenn Regelenergie in einer Regelzone ausgeführt und in einer anderen abgerufen wird. Die Regelzonen gleichen sich also untereinander aus. Beim ungewollten Austausch kommt es aus regelungstechnischen Gründen zu Abweichungen zwischen Soll- und Istwerten des Stromaustausches benachbarter Stromnetze. Der ungewollte Austausch meint jene Energiemenge, die in einer Regelzone unplanmäßig aus dem jeweiligen Netzbereich entnommen oder in diesen eingeliefert wird.
Für die Zeit nach 2020 wird es entscheidend darauf ankommen, den Anforderungen der erneuerbaren Energien vorrangig Priorität zu geben. Will Österreich bis 2030 seinen Strom zu 100 % mit erneuerbaren Energien erzeugen, werden Windkraft und Photovoltaik den größten Anteil am weiteren Ausbau erbringen müssen. Ein zukünftiges Ausgleichsenergiepreismodell muss daher sinnvollerweise die nationalen Ausgestaltungsmöglichkeiten der EBGL derart nutzen, dass es auf die Erzeugungscharakteristik der Technologien Windkraft und PV abgestimmt wird und damit den weiteren Ausbau der Erneuerbaren in Österreich unterstützt. Auch wird den Erneuerbaren – allen voran der Windkraft – ein fairer Zugang zum Regelenergiemarkt ermöglicht werden müssen.

Kontinuität gewährleisten

Ein neues funktionierendes Ausgleichsenergiemodell muss vor allem Stabilität und Sicherheit garantieren. Dafür gilt es aus Erfahrungen in anderen Ländern zu lernen. Trotz der Trennung der Strompreiszonen ist Österreich immer noch eng mit dem deutschen Markt verbunden. Im Oktober 2018 wurde das in Deutschland am Regelenergiemarkt damals angewendete Mischpreisverfahren auch in Österreich eingeführt. In einem richtungsweisenden Urteil hat am 25. Juli 2019 das Oberlandesgericht Düsseldorf das Mischpreisverfahren für rechtswidrig erklärt. Nun wird wieder das ursprüngliche Ausschreibungsverfahren auf Basis von Leistungspreisen herangezogen. Auch wenn die in Österreich von der E-Control genehmigten Modalitäten für Regelreserveanbieter sowie die Ausschreibungsdetails von diesem Urteil nicht direkt betroffen sind, werden diese dennoch im Sinne der harmonisierten Marktbedingungen und des Level Playing Field auch in Österreich entsprechend angepasst. Eine derartiges Hin und Her, laufende Änderungen, die den Regelenergiemarkt nur komplex und unsicher machen, gilt es in Hinkunft zu vermeiden.

Priorität für Erneuerbare

Für Bernhard Fürnsinn, Experte für Energiewirtschaft der IG Windkraft, leitet sich daraus klar ab: „Diesen Entwicklungen muss auch in Österreich bei der Ausgestaltung eines zukünftigen und dann endgültigen Modells zur Verrechnung der Regel- und Ausgleichsenergie Rechnung getragen werden, vor allem, weil es 2020 dann intensive Diskussionen über neue Gesetze geben wird. Es ist absolut verständlich, dass es im Interesse der Netzbetreiber liegt, dass sich alle Akteure innerhalb der Regelzone systemdienlich verhalten und eine faire Verrechnung stattfindet. Ab 2021 muss es aber ein Verfahren geben, das den gewünschten und geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien mit Perspektive 100 % Ökostrom bis 2030 bestmöglich und mit ganz klarer Priorität unterstützt.“

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Dieser Artikel erschien in unserer Mitglieder-Zeitung "windenergie".