Keine Zeit für Experimente

Das neue Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz muss sofort funktionieren.

Die Tiroler Tageszeitung weiß es: „Nimmt die Politik die Energiewende ernst, muss sie aufs Tempo drücken.“ Dass von Tempo bei der Energiewende in Österreich bislang keine Rede sein kann, belegen die jüngsten Entwicklungen (siehe Seite 10 bis 13). Der Anteil erneuerbarer Energien stagniert seit Jahren und ist zuletzt sogar leicht zurückgegangen. Das Ziel für den Endenergieverbrauch bis 2020 wird mit dem Energieeffizienzgesetz nicht erreicht werden. Im dritten Jahr in Folge sind 2017 Österreichs Treibhausgas-Emissionen wieder gestiegen.

Der seitens der Politik zögerlich betriebene und nur schleppend vorankommende Ausbau erneuerbarer Energien bringt handfeste wirtschaftliche Nachteile mit sich. Die hohe Abhängigkeit von fossilen Energien kostete unsere Volkswirtschaft 2017 netto 7,9 Mrd. Euro für Energieimporte – eine gewaltige Belastung, wenn man bedenkt, dass das gesamte Handelsbilanzdefizit Österreichs nur 5,6 Mrd. betrug. 2018 mussten netto 14 % des Stromverbrauchs importiert und dafür 400 Mio. Euro ans Ausland bezahlt werden.

Parallel dazu hat sich die Situation der Windkraft weiter verschlechtert. Mit einem Nettozubau von 53 neuen Windkraftanlagen war 2018 das Jahr mit dem schwächsten Zubau seit dem Inkrafttreten des derzeitigen Ökostromgesetzes 2012. Zum Vergleich: 2014 wurden noch netto 141 Windräder errichtet. Zusätzlich hängen noch immer 200 fertig genehmigte Windräder mit einer Leistung von mehr als 500 MW in der Warteschlange bei der Förderstelle OeMAG und können nicht gebaut werden, weil die Politik keine Entscheidung dafür trifft. Auch die Anzahl der geförderten Anlagen geht von Jahr zu Jahr zurück – 2019 werden 104 Windräder weniger gefördert als noch 2016. „Nicht nur 200 fertig genehmigte Windräder befinden sich in der Warteschleife, sondern die gesamte Windbranche“, sagt IGW-Geschäftsführer Stefan Moidl.

Ideologie vs. Pragmatismus

Doch bald soll alles anders, angeblich sogar besser werden. Ende 2018 hat die Regierung Eckpunkte für das geplante Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) vorgestellt. Dieses soll nach offiziellem Zeitplan Anfang 2020 sozusagen den Betrieb aufnehmen. Aus heutiger Sicht ist aber noch viel zu klären, bis aus diesen Eckpunkten ein funktionstüchtiges Förderregime wird.

In vielen offenen Punkten stehen die Absichten der Politik den von den Verbänden der Erneuerbaren formulierten Anforderungen entgegen. Aber die Ideologie der neoliberalen Wirtschaftstheorie, die davon ausgeht, dass der Markt alles wie von selbst regelt, verkennt die Dringlichkeit der Lage. Denn es geht hier nicht um beliebige Produkte, die der Markt zu diesem oder jenem Preis anbietet oder auch nicht. Es geht um die sinnvolle und zielgerichtete Gestaltung der Energiezukunft dieses Landes vor dem Hintergrund des immer drängender werdenden Klimawandels.

Der Zugang der Politik in vielen Detailfragen des EAG ist, alle Erneuerbaren über einen Kamm zu scheren und sie dann dem sogenannten „freien Spiel der Kräfte“, sprich einem praxisfernen Wettbewerb auszusetzen. Die Erneuerbaren-Verbände dagegen schlagen einen pragmatischen Weg vor, der sich wesentlich und in erster Linie an der Zielerreichung orientiert.

Zielführende Gestaltung

Obwohl die Umstellung auf Ausschreibungen in anderen Ländern bereits zu massiven Einbrüchen beim Windkraftausbau geführt hat, will die Politik in Österreich ihre eigenen Lernerfahrungen damit machen. Deshalb sagt IGW-Chef Moidl: „Das ergibt keinen Sinn und könnte zu ungewollten Verzögerungen führen, die nicht mehr aufzuholen sind. Wir halten es vielmehr für wichtig, die Förderhöhe administrativ festzulegen und auf ein marktwirtschaftliches Fördersystem mit variablen Marktprämien umzustellen.“ Außerdem müssen, bekräftigt Moidl, die Strommarktbedingungen für die Vermarktung von Windstrom angepasst werden: „Auch das ist ein zentraler Punkt. Die Windbranche ist bereit, Windstrom am Strommarkt zu verkaufen. Das kann aber nur gelingen, wenn auch der Strommarkt aktiv dafür gestaltet wird.“

Klar ist für Moidl auch, dass das Fördersystem technologiespezifisch ausgelegt sein muss, denn: „Für das angepeilte Gesamtziel von 100 % Ökostrom bis 2030 brauchen wir die Erzeugung aller erneuerbaren Energien, nur dann können wir das schaffen. Es braucht daher klarerweise ein Mit- und kein Gegeneinander.“ Vielmehr müsse es für die einzelnen Erneuerbaren klare Mengenziele und Zielerreichungspfade bis 2030 geben, denn so Moidl: „Die gesamte volkswirtschaftliche Stromerzeugung darf doch kein Zufallsprodukt von nicht abgestimmten Einzelmaßnahmen sein. Beim Bau eines Hauses macht ja auch nicht jeder Handwerker, was er will, steht der Maurer ja auch nicht mit dem Zimmermann in Konkurrenz. Und wie dort braucht es auch für die Planung der Stromerzeugung einen Generalunternehmer, der alles koordiniert. Wenn die Politik diese Rolle nicht übernimmt, sondern unkoordinierte Markterfahrungen machen will, werden wir, das kann man jetzt schon abschätzen, die Ziele nicht erreichen.“

Die wichtigsten Anforderungen der IGW an das EAG

100% Ökostrom müssen echte 100% sein: 2030 soll die Produktion erneuerbarer Energie tatsächlich dem Verbrauch entsprechen
Klare Mengenziele und Zielerreichungspfad bis 2030
7.500 MW Windkraftleistung (22,5 TWh) bis 2030
Technologiespezifische Förderung
Fördersystem: variable Marktprämien mit Anbindung an den Marktwert
Administrative Festlegung der Förderhöhe auf 20 Jahre (keine Ausschreibungen)
Standortdifferenziertes Fördermodell für eine effiziente Förderung
Managementprämie und verbessertes Strommarkt­umfeld in Österreich
Rascher Abbau der Warteschlange und Rechtssicherheit für bereits bewilligte Projekte
Wahlrecht für einen Fördersystemwechsel ins Marktprämienmodell

Die Position der IG Windkraft zum Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG 2020) finden Sie hier.

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Dieser Artikel erschien in unserer Mitglieder-Zeitung "windenergie".