Energiewende in Deutschland wird verschleppt

Noch immer zu viel Strom aus dem fossil-atomaren Komplex.

© Jörg Farys / BUND
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Kohle liefert in Deutschland 40% des Stroms und emittiert dabei 86% des CO2 der gesamten Stromerzeugung. Allein die 31 Mio. Tonnen CO2, die das Kohlekraftwerk Neurath an einem einzigen Tag (!) ausstößt, entsprechen fast 40% der CO2-Menge, die Österreich in einem ganzen Jahr emittiert.

© Umweltbundesamt
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Noch vor wenigen Jahren galt Deutschland als Pionier des Klimaschutzes und der Energiewende. Doch dieser Ruf hat inzwischen stark gelitten. Nach einem internen Papier des Bundesumweltministeriums wird das Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40% zu senken, deutlich verfehlt und nur ein Minus von 32,5% erreicht werden.
Das angestrebte 40%-Ziel ist deshalb in weiter Ferne, weil Deutschland zwar den Ausbau der erneuerbaren Energien intensiv betrieben hat, dafür aber in anderen für die Energiewende ausschlaggebenden Bereichen überhaupt keine Maßnahmen gesetzt hat. Der wohl größte Brocken sind die 139 Kohlekraftwerke, die noch immer – befreit von allen Umweltkosten, die sie verursachen – im Vollbetrieb jede Menge CO2 produzieren. Noch gar nicht begonnen wurde die Ökologisierung des Transportwesens und auch die Wärmewende lässt weiter auf sich warten.

Absurde Energiepolitik

Umso absurder muten jene Wortmeldungen an, die für diese Verschleppung der Energiewende sogar noch die erneuerbaren selbst verantwortlich machen wollen. Zu viel Strom von Erneuerbaren sei in den Netzen, wird behauptet, dass aber die Stromerzeugung noch immer von 40% Kohlestrom und insgesamt 70% Strom aus dem fossil-atomaren Komplex dominiert wird, soll elegant unter den Verschleierungsteppich gekehrt werden (s. Seite 6-7). Immerhin hat die deutsche Bundesregierung bereits 2007 ihre Ziele definiert, bis 2050 den Gesamtenergiebedarf (Strom, Wärme und Mobilität) um 50% zu verringern und davon dann 60% mit Erneuerbaren zu erzeugen.
Craig Morris, Senior Fellow am Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam, arbeitet daran, jene Mythen rund um die Energiewende zu entlarven, die den Blick auf die Tatsachen verstellen. Faktenfrei wird gern behauptet, Atom- und Kohleausstieg würden die Stromversorgung gefährden. Morris dagegen weist darauf hin: „Noch vor dem Beschluss des Atomausstiegs forderte die Energiewirtschaft eine Leistungsreduktion um rund 10 GW, weil die Überkapazität die Stromnetze zu sehr belaste. Als dann 2011 rund 10 GW AKW-Leistung abgeschaltet wurden, hat die Stromversorgung in Deutschland überhaupt nicht darunter gelitten und es gab auch keine Stromausfälle. Im Gegenteil: Deutschland und Dänemark haben die wenigsten Minuten an Stromausfällen pro Jahr. Das Wichtigste ist ein stabiles Stromnetz. Dänemark kann aus Windkraft sogar 40% des Jahresstromverbrauchs ohne Probleme einspeisen.“
Anstatt aber den mittlerweile von allen Experten geforderten Kohleausstieg mit Nachdruck anzugehen, hat die Bundesregierung vor einem Jahr das EEG 2017 verabschiedet, das den Ausbau der Erneuerbaren sogar noch stark einbremst statt zu steigern. Bei der Windenergie liegt der angestrebte Ausbaukorridor um 50% unter den Ausbauraten der letzten Jahre. Diese Vollbremsung bei den Erneuerbaren missachte die offiziellen Ziele und verschleppe die Energiewende, berichtet Morris: „In Deutschland wurde gerade dem seit vielen Jahren bestehenden marktbasierten Prämienmodell eine Ausschreibung vorgeschaltet. Das hat zur Folge, dass zwei Drittel der Gebote bei den Ausschreibungen abgelehnt werden. Viel wird jetzt von den niedrigen Preisen geredet, man verschweigt aber, dass man viel schneller zubauen könnte. Die Ausschreibungen dienen also vor allem dazu, die Energiewende deutlich zu verlangsamen, das angestrebte Ziel wird damit aber sicherlich nicht erreicht werden.“

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Dieser Artikel erschien in unserer Mitglieder-Zeitung "windenergie".