Strom-Fakten richtiggestellt

Kohlekraftwerke verursachen Deutschlands Stromüberschuss.

© Jörg Farys / BUND
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Eines der Unwörter der Ära Trump ist die Formulierung „alternative Fakten“. Trumps Berater haben sie erfunden, um unwahren Behauptungen den Anschein von Realität zu geben. Doch die USA haben kein Monopol auf diesen verwirrenden Kommunikationstrick.
Die Stromexporte Deutschlands sind in den letzten Jahren explosionsartig angestiegen – in den letzten fünf Jahren haben sich diese fast verzehnfacht. In diesem Zusammenhang wird immer wieder von „Überschussstrom“ geredet. Dieser und damit die hohen Exporte werden der schwankenden Stromerzeugung aus Solar- und Windkraftwerken angelastet. Das nun aber sind „alternative Fakten“ pur.
Mittlerweile hat sich eine der wahren Situation angemessene Sichtweise durchgesetzt. Noch immer kommen in Deutschland rund 70% des Stroms aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken, dagegen stammen rund 30% von erneuerbaren Energien. Der Stromüberschuss ist dabei in erster Linie auf die seit 2009 konstant gebliebene Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle zurückzuführen. 2016 betrug diese 262 TWh, davon entfielen 150 TWh auf die Braunkohle und 112 TWh auf die Steinkohle. Die erneuerbaren Energien haben im selben Zeitraum ihre Strommenge auf 188 TWh verdoppelt. Der Stromüberschuss ist die Folge dieser Konstellation. Kohlekraftwerke produzieren Strom, egal ob er gerade gebraucht wird oder nicht. Der Strommarkt gibt ihnen kein Signal abzuschalten. So ist derzeit die paradoxe Situation gegeben, dass, wenn Deutschland zu viel Strom erzeugt, die erneuerbaren Energien abgeregelt werden, wohingegen die Kohle- und auch die letzten Atomkraftwerke munter weiter Strom erzeugen.

Zusätzlicher Klimaschutz

Der Stromüberschuss kommt daher im Wesentlichen durch die im Dauerbetrieb fahrenden Kohlekraftwerke zustande. Das sagen heute nicht mehr nur unabhängige Experten und Wissenschaftler, mehrere NGOs und die Grünen, zu diesem Schluss sind mittlerweile auch die Bundesregierung, das Bundeswirtschaftsministerium, die Bundesnetzagentur, das Umweltbundesamt etc. gekommen.
Vor Jahren hat die deutsche Bundesregierung sich das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40% gegenüber 1990 zu senken. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass dieses Ziel weit verfehlt werden wird (siehe Seite 5) und zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen dringend erforderlich sind. Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie über nachhaltige Kraftwerksentwicklung in Deutschland vorrechnet, muss 2020 voraussichtlich eine zusätzliche Menge von etwa 70 Millionen Tonnen CO2 reduziert werden.
Da die Kohlekraftwerke für ihre CO2-Emissionen nach wie vor nicht mit adäquaten Kosten belastet werden, laufen sie seit geraumer Zeit auf Hochtouren und stehen damit den deutschen Klimaschutzambitionen massiv im Weg. Die Stromerzeugung ist in Deutschland für rund 37% aller CO2-Emissionen verantwortlich, für 32 dieser 37% allein die Kohleverstromung – für 20% die Braunkohle, für 12% die Steinkohle.

© AGEB
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Bruttostromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern: Noch immer kommen in Deutschland 70% des Stroms aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken, dieser Überschuss darf nicht den Erneuerbaren angelastet werden.

Kohleausstieg gefordert

Deutschland hat also vor allem einen Überschuss an konventionellem Strom. Und was geschieht damit? Da es dafür im Inland keine Verwendung gibt, muss er exportiert werden. Im Jahr 2000 importierte Deutschland noch 3,1 TWh Strom, seither geht es in die andere Richtung. In den letzten Jahren setzte dann die wundersame Kohlestromvermehrung ein. 2016 wurden bereits 55,5 TWh exportiert (das sind etwa zwei Drittel des gesamten jährlichen Stromverbrauchs in Österreich). Von immer mehr Seiten wird daher gefordert, aus der Kohleverstromung auszusteigen, alte behindernde Strukturen abzubauen und den erneuerbaren Energien Platz zu machen.
Das von Union und FDP gebetsmühlenartig vorgebrachte Argument, die Versorgungssicherheit sei gefährdet, wenn Kohlekraftwerke abgestellt würden, wird allerorts widerlegt. Selbst das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur gehen davon aus, dass, wenn Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 7 GW stillgelegt werden, die Versorgungssicherheit nicht gefährdet ist. Ganz im Gegenteil meinen sie in einem aktuellen Expertenpapier: „Der Großteil der Kohlekraftwerke hat heute eine belastende Wirkung auf das Netz (...) Eine Stilllegung von Kohlekraftwerken könnte die Versorgungssicherheit sogar steigern.“
Auch das Umweltbundesamt fordert nachdrücklich einen beschleunigten Kohleausstieg, betont jedoch, dass folgerichtig die Ausbaupfade für PV und Windkraft auf mindesten 4 GW jährlich erhöht werden müssten – derzeit beträgt der Ausbaukorridor 2,5 GW jährlich. Ab Mitte der 2020er Jahre seien dann allerdings weitere Erhöhungen notwendig. Das Programm der kommenden deutschen Bundesregierung wird daher ganz entscheidend sein, ob ein Durchstarten der lahmenden Energiewende gelingen kann.

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Dieser Artikel erschien in unserer Mitglieder-Zeitung "windenergie".