EU-Recht ist kein Hindernis

von Ursula Nährer, Juristin der IG Windkraft Österreich

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Entscheidender Punkt bei den Verhandlungen der Regierungsparteien mit den Grünen über eine kleine Ökostrom-Novelle ist die Frage, ob aus Sicht des EU-Beihilfenrechts ein Abbau der Warteschlange an Windkraftprojekten zulässig ist. Das ÖSG wurde 2012 von der EU-Kommission als Beihilfe genehmigt. Von einer beabsichtigten Umgestaltung ist die Kommission zu informieren. Es ist daher die Frage, ob die geplante Novelle und die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für den Abbau der Warteschlange eine relevante Umgestaltung der bestehenden Beihilfenregelung darstellt. Dazu muss man wissen, dass eine Erhöhung der Ausgangsmittel für eine bestehende Beihilfe bis zu 20% nicht als relevante Änderung angesehen wird. Die ÖVP und insbesondere das Wirtschaftsministerium bringen nun vor, dass der Abbau der Warteschlange zu einer unzulässigen Erhöhung der Fördermittel über 20% führen und damit eine neue Genehmigung notwendig machen würde.

Dass hier sehr wohl ein EU-rechtlicher Spielraum besteht, belegen zwei voneinander unabhängige Expertisen der renommierten EU-Rechtsexperten Dörte Fouquet (Brüssel) und Stefan Huber (Wien). Beide kommen zum gleichen Ergebnis: Die Zurverfügungstellung eines Sonderkontingents für den Abbau der Warteschlange sei beihilfenrechtlich zulässig, eine neuerliche Genehmigung dafür sei nicht erforderlich. Denn es liege keine Erhöhung der Ausgangsmittel über 20% vor, weil als maßgeblicher Wert für diese Berechnung die Gesamtheit der vorgesehenen Mittel anzusehen sei. Nicht nur ein spezielles jährliches Kontingent sei entscheidend, sondern die Gesamtsumme der jährlich bereitzustellenden Kontingente.

Gemäß § 23 Abs 3 des ÖSG 2012 werden über einen Zeitraum von zehn Jahren (so lange gilt die bestehende Genehmigung) 50 Millionen Euro p.a. (mit einer Degression von 1 Million Euro p.a.) freigegeben. Zusätzlich wurden in § 23 Abs 4 Sonderkontinente für den Abbau der Warteschlange 2011 bereitgestellt. Summiert man all diese Kontingente über die zehn Jahre Laufzeit, ergibt das die Gesamtsumme der Ausgangsmittel, auf die sich eine Erhöhung um 20% zu beziehen hat. Davon ausgehend wäre der Abbau der Windkraft-Warteschlange ohne weiteres möglich.
Jenseits aller parteipolitischen Interessen muss Österreich bei der EU-Kommission geschlossen auftreten und sich für eine kleine Novelle inklusive Abbau der Warteschlange einsetzen. Brüssel darf nicht als Ausrede vorgeschoben werden, um den Windstrom-Ausbau in Österreich zu behindern.

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Dieser Artikel erschien in unserer Mitglieder-Zeitung "windenergie".