Holpriger Weg zu einer Klima- und Energiestrategie

Das Klimaschutzabkommen muss ernst genommen werden, die Zeit des Zögerns und Zauderns ist vorbei.

Am 8. Juli 2016 wurde das internationale Klimaschutzabkommen von Paris vom österreichischen Nationalratbeschlossen. Im September haben dann China und die USA, zusammen für 40% des globalen Ausstoßes an Treibhausgasen (THG) verantwortlich, das Abkommen ratifiziert. Symbolisch am 2. Oktober, dem Geburtstag von Mahatma Gandhi, hat mit Indien der drittgrößte Emittent nachgezogen. Und in letzter Minute schaffte auch die EU einen schnellen Weg zur Ratifizierung, indem sie den Vertrag als gesamter Staatenbund annahm. Damit ist auch die Bedingung für das Inkrafttreten erfüllt: mindestens 55 Länder, die mindestens 55% der globalen Emissionen ausmachen, sind nun dabei. Rechtzeitig vor der nächsten UN-Klimaschutzkonferenz, die am 7. November in Marrakesch beginnt, wird das Abkommen also Gültigkeit erlangen.

Wer allerdings glaubt, Österreich werde den eingegangenen Verpflichtungen und getätigten Aussagen nun rasch konkrete und verbindliche Taten folgen lassen, ist auf dem Holzweg. Es stimmt, schon im Mai haben die Ministerien für Wirtschaft, Soziales, Landwirtschaft und Verkehr ein Grünbuch für eine integrierte Klima- und Energiestrategie vorgelegt und zu breiter Teilnahme an einer Online-Konsultation eingeladen. Die Inhaltsleere dieses Vorgehens hat jedoch bei den meisten Beteiligten zu Kopfschütteln, Verstimmung, ja teilweise sogar zu Empörung geführt.

Harte Kritik notwendig

Ein Beispiel stellvertretend für viele andere: Selbst der erfahrene und stets besonnene Klimasprecher von Global 2000, Johannes Wahlmüller, äußerte sich entrüstet: „Wer das Klimaabkommen von Paris ratifiziert, aber nicht bereit ist, den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis spätestens 2050 außer Streit zu stellen, der hat nicht begriffen, worum es geht. Die kommende Klima- und Energiestrategie muss einen Ausstiegsplan aus dem fossilen Energiezeitalter beinhalten oder sie ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht.“
Die wesentlichen Kritikpunkte an diesem Feigenblatt der Energie- und Klimapolitik sind denn auch:

  • Konkrete und verbindliche Ziele, die einen planbaren Horizont für Wirtschaft, Politik und Bevölkerung vorgeben würden, fehlen völlig.
  • Die Loslösung Österreichs von der fossil-atomaren Abhängigkeit und in der Folge der konsequente Umbau des Energiesystems auf erneuerbare Energien werden nicht explizit als die logische Konsequenz des Klimaschutzabkommens von Paris definiert.
  • Die Tatsache, dass die bisher gesetzten Maßnahmen zu keiner Reduktion der Treibhausgas-Emissionen seit 1990 geführt haben, wird nicht erwähnt.
  • Eine tatsächliche Strategie, mögliche Maßnahmen und damit verbundene Optionen für eine drastische Senkung der THG-Emissionen fehlen gänzlich.
  • Nicht angesprochen wird, dass die bisher als Maßstab angelegten EU-Ziele für 2030 nicht mehr genügen und ab sofort Verpflichtungen aus dem Abkommen von Paris höhere Wertigkeit haben als die Vorgaben aus Brüssel.
  • Es ist keine Beurteilung der bisherigen Entwicklung und der Wirksamkeit der schon gesetzten Maßnahmen enthalten.
In vielen Passagen vermittelt das Grünbuch den Eindruck, die Pariser sowie alle anderen Vereinbarungen seien keine verbindlichen Abkommen und schon gar keine völkerrechtlichen Verträge, so als stehe es Österreich frei, zwischen verschiedenen Optionen zu wählen. Das geht aber an der rechtsstaatlichen wie auch energiepolitischen Realität haarscharf vorbei.
Worum geht es wirklich? 2015 machten die THG-Emissionen Österreichs rund 79 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent aus. Das ist fünfmal mehr, als mit dem 2°C Limit vereinbar ist. Um die weltweite Erderwärmung bis 2100 unter den Limits von 2°C resp. 1,5°C zu halten, muss Österreich folgenden Beitrag liefern: um unter dem 2°C Limit zu bleiben, muss der THG-Ausstoß jährlich um 3 Mio. Tonnen zurückgehen und 2030 bei etwa 32 Mio. Tonnen liegen; um unter dem 1,5°C Limit zu bleiben, muss der THG-Ausstoß jährlich um 4 Mio. Tonnen zurückgehen und 2030 bei etwa 21 Mio. Tonnen liegen.

Erneuerbar statt fossil

Rechnet man diese notwendige Reduktion für die einzelnen Sektoren (außerhalb des Emissionshandels, der die THG-Emissionen der Industrie regeln soll) durch, wird rasch klar, was die zentralen Ansatzpunkte sind:

  • Die Raumwärme muss bis 2030 weitgehend ohne fossile Energien erzeugt werden.
  • Die Strom muss bis 2030 zu 100% mit erneuerbaren Energien erzeugt werden.
  • Der Individualverkehr muss stark reduziert und auf Elektromobilität umgestellt werden.


Eine Klima- und Energiestrategie, die diesen Namen verdient, muss daher einen konkreten Plan für den Umstieg auf erneuerbare Energien und für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern entwerfen, muss also den notwendigen Umbau des Energiesystems anstoßen. Dazu gehören selbstverständlich auch die Energieeffizienz sowie Sondermaßnahmen zur Vermeidung sozialer Härten und zur Erhaltung der energieintensiven Stahl- und Zementindustrie, aber auch die Streichung jeglicher Begünstigungen für fossile Energien.

Ökologisches Steuern

Klar ist aber auch: Eine solche Umstellung kann nur gelingen, wenn sie von einer ökologischen Steuerreform flankiert wird, die unter anderem eine CO2-Abgabe einführt, wie das schon in vielen Ländern (etwa auch in Schweden) umgesetzt wurde. Und noch eine Mutprobe wird die österreichische Bundesregierung, die in der Pflicht des Abkommens von Paris steht, erbringen müssen: Statt auf etwaiges Unverständnis der Bevölkerung und der Medien in gewohnter Manier reflexartig mit Handlungsverweigerung zu reagieren, ist es dringend notwendig, eine breite Kampagne zur Bewusstseinsbildung zu diesem Thema zu starten und den Menschen in diesem Land zu vermitteln, dass dieser Weg der beste und einzige ist, den wir für eine lebenswerte Zukunft wählen können. Umfragen in der Bevölkerung zeigen deutlich, dass es an der Zustimmung nicht fehlen wird.
Was das alles für die Windenergie bedeutet, fasst IGW-Chef Stefan Moidl zusammen: „Vor allem im Transport- und Gebäudesektor und in der Industrie werden fossile Energien zum Großteil durch Strom ersetzt werden. Um dieses zusätzliche Stromvolumen von rund 20 TWh zeitgerecht mit erneuerbaren Energien bereitstellen zu können, dürfen wir keine Zeit mehr verlieren, jetzt muss es ohne Zögern und Zaudern an die Umsetzung gehen. Die Zeit des Wartens ist endgültig vorbei.“