Fairer Preis für Umweltschmutz

CO2-Bepreisung als Kernelement einer aktiven EU-Klimapolitik.

Die Ziele des Pariser Klimaabkommens wollen die globale Erwärmung im besten Fall unter 1,5 °C halten. Die Messungen zeigen allerdings, dass wir schon jetzt bei einem Plus von 1 °C stehen. Doch die Treibhausgas-Emissionen steigen weiter. Wie die Internationale Energieagentur IEA berichtete, kletterten die weltweiten CO2-Emissionen 2017 auf das Rekordhoch von 32,5 Milliarden Tonnen, das sind 1,4% oder 460 Millionen Tonnen mehr als 2016.

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Und auch im EU-Emissionshandelssystem haben die Emissionen nach sieben Jahren erstmals wieder zugenommen. Hauptverursacher waren vor allem deutsche Braunkohlekraftwerke. Dave Jones, Analytiker beim britischen Klima- und Energie-Think-Tank Sandbag, warnt: „Die Ausbaugeschwindigkeit von Windkraft- und PV-Leistung reicht nicht aus, um den Stromsektor schnell genug CO2-frei zu machen, vor allem weil der Strombedarf steigt und Atomkraftwerke stillgelegt werden.“

Lenkungswirkung erzielen

Mit dem Klimaziel einer Senkung der Treibhausgas-Emissionen um 40% bis 2030 wird die EU nicht in der Lage sein, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Organisationen wie Climate Action Network oder Agora Energiewende halten 55% für notwendig. Selbst der Vorschlag von EU-Klimaschutz- und Energiekommissar Ca-ete, das EU-Reduktionsziel auf 45% zu erhöhen, wurde – unter aktivem Ratsvorsitz Österreichs – rasch abgeschmettert. Es ist jedoch offensichtlich, dass die EU ihre CO2-Emissionen schneller senken muss. Und eines der Kerninstrumente einer wirksamen Klima- und Energiepolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten kann und muss eine stärkere Bepreisung von CO2 sein.
Der CO2-Preis im EU-Emissionshandel spiegelt jedoch nicht das knapp begrenzte Volumen an CO2 wider, das bis 2050 noch ausgestoßen werden darf, wollen die Klimaziele ernstgenommen werden. Quer durch Wissenschaft, Wirtschaft und Politik fordern daher immer mehr Akteure eine rasche Neuausrichtung des komplexen, historisch gewachsenen Systems aus nicht zielgerichteten Umlagen, Abgaben und Steuern. Um eine effiziente Reduktion der CO2-Emissionen und eine klimafreundliche Sektorkopplung zu schaffen, bedarf es starker Anreize mit einer klaren Lenkungswirkung, um Innovationen und Investitionen zu fördern. Und eine der offensichtlichsten Maßnahmen, das in den Griff zu bekommen, ist eine sozial gerechte Bepreisung von CO2 über alle Sektoren der Volkswirtschaft.
Was sozial gerecht bedeutet, beschreibt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der deutschen Umweltorganisation Germanwatch: „Es geht darum, Investitionsdynamik entstehen zu lassen und Anreize für den klimafreundlichen Betrieb von Anlagen zu setzen, ohne die unterschiedlich betroffenen Akteure zu überlasten. Eine stärkere Bepreisung von CO2 kann aufkommensneutral gestaltet werden. Etwa können die Einnahmen bestehende Steuern und/oder Umlagen ablösen. Es kommt also nicht auf eine Erhöhung des staatlichen Gesamtaufkommens, sondern auf die Lenkungswirkung an – und das damit verbundene Mehr an Planungssicherheit für Investoren. Weniger Komplexität schafft Transparenz und Freiräume für Innovationen.“
Im September 2017 hat Frankreichs Staatspräsident Macron die Diskussion auf politischer Ebene angestoßen, als er erstmals öffentlich von einem „fairen CO2-Preis“ sprach. Im März 2018 kündigte er an, in Europa einen CO2-Mindestpreis von 25 bis 30 Euro pro Tonne erreichen zu wollen. Davon betroffene Regionen sollen besondere Unterstützung erhalten, eine CO2-Steuer an den EU-Grenzen die internationale Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Internationale Kooperation

Im Mai 2018 kam dafür Unterstützung aus Österreich. Bundeskanzler Kurz und Energieministerin Köstinger lancierten eine grenzübergreifende Initiative für eine realitätsnahe CO2-Bepreisung als Maßnahme für einen gerechten Klimaschutz. Gemeinsam mit Frankreich wollen sie eine Allianz mehrerer Mitgliedstaaten schaffen, um die EU von diesem Weg zu überzeugen.
Bals allerdings plädiert für rasches Handeln ohne Zögern: „Es reicht aber für Länder wie Österreich und Deutschland nicht, mit einer eigenen zielgerichteten Rahmensetzung zu warten, bis sich alle Akteure auf einen gemeinsamen CO2-Preis geeinigt haben, der ausreichend ambitioniert ist. Der EU-Emissionshandel hindert die Mitgliedstaaten ja nicht daran, auf nationaler Ebene zusätzliche steuerliche Maßnahmen zur Emissionsminderung einzuführen.“
Der Handel mit CO2-Zertifikaten umfasst Emissionen der Industrie und der Stromerzeugung. Mit Maßnahmen außerhalb des Handelssystems kann aber auch nur die Stromerzeugung gezielt erfasst werden, die Industrie wäre davon nicht oder nur indirekt betroffen. In 14 Ländern des EU-Emissionshandels wurden bereits zusätzlich Varianten einer CO2-Abgabe eingeführt. Seit 2014 gibt es in Frankreich eine jährlich ansteigende CO2-Steuer auf fossile Energieträger außerhalb des EU-Emissionshandels. Diese Steuer wird auf den Anteil des CO2-Gehalts von Kraftstoffen und Heizbrennstoffen berechnet, 2017 betrug sie 30 Euro pro Tonne. Mit den Einnahmen will die französische Regierung den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. Großbritannien hat ein anderes System gewählt und 2013 im Rahmen des Emissionshandels einen CO2-Mindestpreis festgesetzt. 2017 lag dieser bei 21 Euro pro Tonne.
Mit 125 Euro pro Tonne die höchste CO2-Abgabe hat Schweden. Dabei wurde ursprünglich die Steuerbelastung nicht angehoben, sondern bestehende Energiesteuern wurden auf CO2-Steuern umgestellt und dann sukzessive erhöht. Diese Umschichtung bei der Steuerlast genießt heute eine hohe Akzeptanz in Schweden. Der Anteil der erneuerbaren Energien ist seit 2004 von 38,7% auf 53,8% gestiegen, die CO2-Emissionen sind trotz 31% Wirtschaftswachstum um 8% gesunken.
Für IGW-Chef Stefan Moidl steht fest: „Die Einführung einer CO2-Abgabe in Österreich wäre also keineswegs ein Alleingang, sondern eine konsequente nationale Ergänzung zum Emissionshandel. Wir sind dabei auch nicht von Entscheidungen der EU abhängig, wir müssen nicht auf diese warten. Österreich könnte etwa im gemeinsamen Strommarkt mit Deutschland und Frankreich einen CO2-Mindestpreis für die Stromerzeugung einführen – und wenn die Verhandlungen zu lange dauern, diesen Weg auch alleine gehen.“

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Dieser Artikel erschien in unserer Mitglieder-Zeitung "windenergie".