Kurskorrektur als Bremse für Erneuerbare

Die Novelle des deutschen EEG ist ein Frontalangriff auf die Energiewende.

„Das Ende der Wende? War’s das jetzt mit der Energiewende? Ist Sigmar Gabriel der Totengräber der Energiewende?“ Typische Kommentare zum neuen deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Das EEG – bisher weltweit eines der erfolgreichsten Programme zum Umbau eines Landes auf 100% erneuerbare Energien. Mit ihm konnte Deutschland seinen Stromanteil aus erneuerbaren Energien von 1990 bis 2015 von knapp 3% auf rund 33% verzehnfachen und allein im Stromsektor die CO2-Emissionen seit 1990 um 25% senken.

Gegen die Bevölkerung

Mit der im Juli dieses Jahres beschlossenen Novelle des EEG will die deutsche Bundesregierung jetzt aber die Dynamik der Energiewende einbremsen und den Zubau der Windenergie und anderer Technologien massiv beschränken. Deswegen gingen schon im Mai Zehntausende Beschäftigte und Unternehmen der Windbranche auf die Straße, um gegen diesen Frontalangriff auf die Energiewende zu protestieren. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft legte Umfrageergebnisse vor, denen zufolge 86% der Deutschen einen schnelleren oder zumindest gleich bleibenden Ausbau der erneuerbaren Energien wollen.

Offiziell soll lediglich das Fördersystem für einzelne Technologien adaptiert werden. Für die Windenergie bleibt es bei der gleitenden Marktprämie mit Direktvermarktung des Stromes durch den Ökostrombetreiber, allerdings soll die Förderhöhe für große Anlagen (bei PV, Windenergie und Biomasse) jetzt durch eine vorgeschaltete Ausschreibung bestimmt werden und nicht mehr wie bisher per Gesetz.

Im Gegensatz zur bisherigen Praxis wird der Zubau der Windenergie und anderer Erneuerbarer gedeckelt, sprich es werden jährliche Obergrenzen dafür festgelegt. Der weitere Ausbaupfad für Strom aus erneuerbarer Energie sieht dann 40 bis 45% im Jahr 2025 und 55 bis 60% im Jahr 2035 vor. Das neue EEG 2017 – dann soll es nämlich in Kraft treten – definiert aber auch als eindeutiges Ziel, den Betreibern der fossilen und atomaren Kraftwerke in Deutschland ein berechenbareres Umfeld für ihre Rentabilität zu bieten.

Zahlreiche Kritiker laufen dagegen Sturm, denn diese Maßnahmen würden den Ausbau der erneuerbaren Energien stark behindern und zehntausende Arbeitsplätze gefährden. Vor allem aber könnten damit die Klimaziele des Pariser Abkommens nicht erreicht werden, das Deutschland auch schon ratifiziert hat. Sie sehen das neue EEG als einen Kniefall von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor der mächtigen deutschen Kohle- und Atomlobby.

So argumentiert Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), dass das neue Gesetz den Ausbau erneuerbarer Energien im Strommix auf 45% bis 2025 deckelt und damit der klimaschädlichen Kohle bis dahin einen Anteil von mehr als der Hälfte der Stromversorgung garantiert. Es verlängert den Zeitraum, in dem die Kohleindustrie den Ausbau erneuerbarer Energien behindert, und verteuert damit die Energiewende, weil die Nutzer länger die Kosten der fossilen Energiewirtschaft tragen müssen.

Ziele damit nicht zu schaffen

Für Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, steht fest: „Das EEG muss weg. Mit den Ausbauzielen mit einem Anteil erneuerbarer Energien am Gesamt-Stromverbrauch von 40 bis 45% bis zum Jahr 2025 hat Deutschland nicht die geringste Chance, den Pariser Klimaschutzverpflichtungen gerecht zu werden. Verabschieden wir uns vom EEG und fordern wir ein Klimaschutzgesetz mit 100% erneuerbaren Energien bis 2040, und zwar nicht nur bei der Stromerzeugung, sondern auch bei der Wärme- und Treibstoffversorgung.“
Nicht zuletzt der vielfach kritisierte neue Ansatz des EEG 2017, die Prämienhöhe künftig über Ausschreibungen festzulegen, wie es auch in den Beihilfe-Leitlinien der EU-Kommission gefordert wird, könnte sich im Endeffekt noch als Schuss, der nach hinten losgeht, erweisen. Er mag vielleicht mehr Wettbewerb bringen, das heißt aber noch lange nicht, dass damit die angestrebten Ziele erreicht werden.

Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin mahnt: „Die Tücken stecken im Detail. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass keinesfalls gesichert ist, dass mit Ausschreibungen die Vergütungshöhen sinken, da finanzielle Risiken und erhöhte Transaktionskosten sowie mögliche Strafzahlungen eingepreist werden. Zudem besteht die Gefahr, dass die angestrebten Ausbaukorridore nicht erreicht werden. Nach der Zuschlagserteilung kann es zu Projektverzögerungen oder Nichtrealisierungen kommen, da es unerwartete Kostensteigerungen gegeben hat oder strategisch geboten wurde.“ Sogar die Autoren des EEG gehen von einer Nichtrealisierungsquote von 10% aus und räumen ein, dass die Kosten höher liegen können als vorher.

Bei einer Ausschreibung in Frankreich für Onshore-Windprojekte im Jahr 2004 lag die Realisierungsquote nur bei 10%. In Großbritannien wurden von den zwischen 1990 und 1998 ausgeschriebenen Windenergieprojekten bis zum Jahr 2003 lediglich 29% realisiert. In Irland wurden zwischen 1995 bis 2003 nur 33% der zugesprochenen Kapazität tatsächlich gebaut. Selbst die angeblichen Erfolgsmodelle für Ausschreibungen in Südafrika und Brasilien sind ins Stolpern geraten und zeigen, dass die Sinnhaftigkeit von Ausschreibungen ohne langfristige Erfahrung nicht belastbar bewertet werden kann.

Kleiner Markt Österreich

Für Österreich ist die Diskussion über die Nachteile von Ausschreibungen deswegen von Interesse, weil auch die österreichische Politik im Rahmen einer großen Novelle des Ökostromgesetzes darüber wird entscheiden müssen. Dabei ist vor allem ein Passus des EEG 2017 sehr bedeutsam. Denn Technologien, für die mangels Wettbewerb keine sinnvollen Ergebnisse zu erwarten sind, sind von den Ausschreibungen ausgenommen (Wasserkraft generell, Geothermie und kleine PV).
Auch in den Beihilfe-Leitlinien der EU-Kommission gibt es die Einschränkung, dass ein Mitgliedstaat auf Ausschreibungen verzichten kann, wenn nur eine sehr begrenzte Zahl von Vorhaben oder Standorten beihilfefähig wäre oder eine Ausschreibung dazu führen würde, dass nur wenige Vorhaben verwirklicht werden.

Für IGW-Geschäftsführer Stefan Moidl ist dies ein gangbarer und plausibler Weg: „Bisherige Erfahrungen zeigen, dass in Österreich angesichts des kleinen und begrenzten Marktes nicht damit gerechnet werden kann, dass Ausschreibungen sinnvoll sind. Daher sollte sich die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission auf diese Ausnahmemöglichkeit berufen. Dieser Weg ist absolut legitim, es kommt nur darauf an, wie standhaft man ihn letztendlich vertritt.“